Sonntag, 24. Februar 2019

Rezension: Donna Jo Napoli "Nach Norden - Alvins Abenteuer bei den Inuit"

Donna Jo Napoli ist eine US-amerikanische Professorin für Linguistik. Dies wird besonders in ihren Kinder- und Jugendromanen erkennbar, für die sie bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. In dem hier besprochenen Roman behandelt sie die die schwierigen Themen Identität, Ausgrenzung und Fremdheit.

Handlung:
Der 12-jährige Alvin lebt mit seiner Mutter und Grossmutter in Washington. Sein grosses Vorbild ist Matthew Henson, ein afroamerikanischer Polarforscher. Dieser drang mit der Peary-Expedition 1905/06 so nah an den Nordpol, wie noch kein Mensch zuvor. Alvin träumt davon auch einmal zum Nordpol zu kommen und genauso mutig und unerschrocken zu sein wie sein grosses Vorbild. Seine Mutter sieht dies jedoch ganz anders und verwehrt Alvin viele Dinge - wie ein Mountainbike - da sie sich Sorgen um seine Sicherheit macht. 
Nach einem grossen Streit mit seiner Mutter entscheidet sich Alvin auszureissen und so weit wie möglich nach Norden zu kommen - genauso wie Henson. Sein Ziel ist Ellesmere Island im Nordpolarmeer. 
Seine Reise, die ihn zuerst von Washington nach New York und dann über die Grenze nach Toronto führt, ist voll mit abenteuerlichen und gefährlichen Momenten. Doch diese Reise verändert ihn und wie er das Leben und die Menschen um sich herum wahrnimmt. 

Kritik:
Donna Jo Napoli ist es gelungen einen spannenden und fesselnden Abenteuerroman zu schreiben. Sie zeigt sowohl in der Darstellung der Inuit einen Respekt gegenüber dieser Kultur und ihrer Tradition - so kommt immer wieder ihre Sprache und ihre Art zu leben zum Vorschein und werden erklärt. Einen Jungen auszuwählen, der aufgrund seines Alters und seiner Hautfarbe viele Vorurteile erleben muss und so in seinem Leben eingezwängt wird, jedoch mit eiserner Willenskraft herausbricht, spricht so manches Kind an und so können sie Alvins Abenteuer miterleben, als wäre es ihr eigenes. Die Person Alvin ist authentisch, scheint jedoch gerade zu Beginn sehr naiv und nur auf sich bezogen. Jedoch ist deutlich eine Persönlichkeitsentwicklung im Laufe des Romans zu beobachten. Schade ist, dass der Spannungsbogen in der zweiten Hälfte des Romans sehr abflacht. Dies versucht die Autorin durch ein paar gefährliche Situationen zu beheben, aber es gelingt ihr nicht richtig. So ist der Schluss des Romans eher unspektakulär und hauptsächlich Beschreibungen. 
Sprachlich gesehen, entspricht dieser Roman einem typischen - und guten - Kinderroman: Kurze Kapitel und eine einfache, beschreibende Sprache, die aber auch die spannenden und gefährlichen Momente innerhalb der Handlung effektiv übermittelt und so das Lesen dieses Romans zu einem Erlebnis macht. 

Empfohlenes Lesealter: ab 8 Jahren

Themen: Identität, Junge, Abenteuer

Punkte: 4/5

Buchinformationen: Donna Jo Napoli, gebundenes Buch, 252 Seiten, Carl Hanser Verlag

Samstag, 29. Dezember 2018

Rezension: Mary Hooper "Das aussergewöhnliche Leben der Eliza Rose"


Mary Hooper ist bekannt für ihre Jugendromane, die im neuzeitlichen England spielen und jeweils eine junge Heldin begleiten. Mit dem Roman "Das aussergewöhnliche Leben der Eliza Rose" reist der Leser in das England von Charles II und dem berühmten Strassenräuber Claude Duval; genauer gesagt in das Jahr 1670.


Handlung:
Die 15-jährige Eliza wird von ihrer Stiefmutter von zu Hause rausgeworfen. Mit all ihrem Hab und Gut macht sie sich auf den Weg nach London, wo ihr Vater als Handwerker am Wiederaufbau der Stadt nach dem grossen Feuer hilft. Dort angekommen hat sie kein Geld mehr und stiehlt aus Verzweiflung und Hunger etwas zu Essen. Kurzerhand wird sie festgenommen und landet im berüchtigten Clink-Gefängnis. Nach einiger Zeit kauft sie eine Frau, die sich als ihre Tante ausgibt, frei. Doch warum? Nach einiger Zeit lernt sie Nell Gwyn kennen, die eine Schauspielerin des Höfischen Theaters ist, und wird so hineingeführt in die Welt des Adels und des Theaters mit all ihren Intrigen. Dabei findet sie auch heraus, wer sie eigentlich ist.

Kritik:
Ein 15-jähriges Mädchen, das sich auf die Suche nach sich selber macht, ist kein neues Konzept. Und doch schafft es Hooper mit der Einbettung dieses Konzepts in das neuzeitliche England, mit dessen Eigenheiten und Lebensstilen, eine neue Art dieser Erzählung zu erschaffen. Es gibt viele Irrungen, Verwechslungen und kritische Situationen, in denen sich Eliza wiederfindet. Leider bleibt dabei der Spannungsbogen sehr flach und das Ende ist bereits nach drei Viertel des Buches vorhersehbar und abrupt. Das spannendeste an diesem Roman sind die unterschiedlichen Figuren, die darin vorkommen und zum grossen Teil auf wahren Personen beruhen (z.B. Charles II, Nell Gwyn und ihre Mutter sowie der berühmte Strassenräuber Claude Duvall). Deren Entwicklungen, Lebensweisen und Träume sowie ihre Interaktionen untereinander sind so vielfältig und interessant dargestellt, dass man als Leser leicht in diesem Roman versinken kann. Weniger überzeugt hat mich hingegen die Protagonistin Eliza Rose. Sie scheint stellenweise sehr sympathisch, jedoch wiederum an anderen Stellen recht naiv und nicht zeitgemäss. So fällt es beim Lesen schwer sich mit ihr zu identifizieren. Innerhalb der Handlung gibt es wenige Stellen, in der die Protagonistin in sich geht und reflektiert. Dies wird unterstützt durch den Schreibstil, der einen Fokus auf Dialoge und verständliche, moderne Sprache legt. Dabei schildert dieser sehr eindrücklich das Leben im neuzeitlichen London und ist durch die Verwendung der oben erwähnten Persönlichkeiten sehr authentisch.

Empfohlenes Lesealter: ab 10 Jahren

Themen: Neuzeit, London, Royal, Identität

Punkte: 4/5

Buchinformationen: Mary Hooper, Taschenbuch, 444 Seiten, Bloomsbury K&J Taschenbuch Verlag

Montag, 24. Dezember 2018

Rezension: David Safier "28 Tage lang"




David Safier kennt man vor allem als Autor von lustigen und leichten Romanen wie "Jesus liebt mich" oder "Plötzlich Shakespeare". Mit dem Jugendroman "28 Tage lang" versucht er sich an den historisch schwierig zu übermittelten Themen; Das Warschauer Ghetto und der Holocaust.

Handlung:
Mira ist ein 16-jähriges Mädchen, das mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Hannah im Warschauer Ghetto lebt. Um dort zu überleben, schmuggelt sie Lebensmittel vom polnischen Teil Warschaus in das Ghetto. Sie ist das Oberhaupt und die Ernährerin ihrer Familie und kümmert sich liebevoll um ihre Schwester, die eine fantasievolle Geschichtenerzählerin ist. Mitte 1942 fängt die SS an das Warschauer Ghetto aufzulösen und die Juden in Konzentrationslager zu bringen. Hoffnung haben einzig die "Arbeitssklaven", die für die deutschen Unternehmen in Warschau arbeiten und eine Arbeitsbescheinigung haben. Da Mira und ihre Familie solch eine nicht haben, verstecken sie sich in ihrem Haus. Schlussendlich schliesst sich Mira der Jüdischen Kampforganisation (ZOB) an, deren Aufstand gegen die SS am 19. April 1943 startet und 28 Tage lang dauert. 

Kritik:
Safier ist es gut gelungen ein erdrückendes und beklemmendes geschichtliches Ereignis in einen Roman umzuschreiben. Dabei stellen sich die Personen immer wieder die Frage "Was für ein Mensch willst du sein?", was dazu führt, dass wir uns als Leser fragen "Was für ein Mensch wäre ich in dieser Situation?". Ein Kämpfer? Ein Aufgeber? Ebenfalls ein spannender Aspekt des Romans ist die Schuld. Ist es erlaubt bösen Menschen etwas Böses anzutun? Wann macht man sich schuldig? Fragen, auf die der Roman keine Antwort gibt, aber zum Überlegen und Diskutieren einlädt. Dabei ist der Roman vor allem für Jugendliche flüssig zu lesen mit seinen kurzen Sätzen und Kapiteln und der verständlichen Sprache. Mit dieser beschönigt Safier nichts, jedoch bleibt manches oberflächlich erzählt und/oder beschrieben. Die Protagonistin und Ich-Erzählerin Mira wirkt sympathisch aber auch sehr modern mit ihren Gedanken und Haltungen. Die Handlung, Führungsfiguren im Ghetto und bei der SS, sowie die Orte und Geschehnisse sind authentisch und wahrheitsgetreu wiedergegeben, die Hauptperson Mira und ihre Familie sind jedoch fiktiv. 

Empfohlenes Lesealter: ab 16 Jahren

Themen: Holocaust, Geschichte, Weltkrieg

Punkte: 4/5

Buchinformationen: David Safier, gebundene Ausgabe, 414 Seiten, Rowohlt oder Kindler Verlag